Produktionen im Laboratorium für Artenschutz

Kulturzyklus Kontrast _ Fachhochschule Ostschweiz

„Micha Stuhlmann leitet das «Laboratorium für Artenschutz», ein Ensemble aus Menschen mit und ohne Behinderung, die mit ihren Performancearbeiten schweizweit für Aufsehen sorgen. Gerda Löw ist ein festes Mitglied dieser Gruppe. Gemeinsam erzählen sie von ihrem Arbeitsprozess, dem Umgang mit Nähe und ihrem nächstem Projekt, dem Film TOD.SEIN“ Stefan Ribler

 

 

Als künstlerische Leiterin und Gründerin des Vereins Laboratorium für Artenschutz biete ich Menschen, die unserem Grundgedanken nahestehen und die der inklusiven Humanität ins Alltagsleben verhelfen wollen, Gehör. Zugleich brauchen wir Verbündete, Mitwisser*innen und Aktivist*innen.

Der Name des Vereins klingt zunächst etwas seltsam. Als soziokulturelles Projekt angelegt, deutet der Name auf die Verwandtschaft zur Biodiversität hin. Die Notwendigkeit der biologischen Vielfalt ist inzwischen unangefochtene Tatsache – dass wir eine lebendige Vielfalt der menschlichen Spezies für unser aller Überleben brauchen, steht noch unter Beweisführung.  Ähnlich wie in der Biologie kann die Bedeutung manch «Unnützem» erst mit seinem Aussterben in all seinen Konsequenzen erfassen werden.

Als Kunstschaffende ist es mir ein Anliegen Stolperstellen zu legen – weniger um damit zu provozieren, als vielmehr um ein Innehalten und Aufmerken zu bewirken.
2018 übergab mir der Kanton Thurgau einen Förderpreis für das Kunst-Projekt Laboratorium für Artenschutz, das seinen Anfang 2011 hatte.
2019 gründete sich der Verein zum Projekt, dessen Zentrum das inklusive, zehnköpfige Ensemble darstellt. Dieses Ensemble forscht, gemeinsam mit mir, an grundsätzlichen Fragen des Menschseins, um sich der inklusiven Humanität anzunähern und ins eigenen Leben zu übertragen.

Es gibt inzwischen viele innovative Bildungs- und Kunst-Projekte. Trotzdem wird der Begriff „Inklusion“ oft nur im Kontext von Menschen mit einem diagnostizierten Bedarf verwendet.  Das Laboratorium für Artenschutz vertritt einen Inklusionsbegriff, der alle Menschen einschließt. Die Vielfältigkeit der Lebenserfahrungen, Lebensentwürfen, des Denkens und Handelns eröffnet neue Potentiale und nutzt vorhandene Ressourcen, um gemeinsam über den eigenen Tellerrand zu staunen.

Im Bereich der immateriellen Kultur angesiedelt, nutzen wir Methoden der Körper-, Theater- und Tanzarbeit, wie auch Kreativtherapien, um die Gruppe ins gemeinsame Handeln, Fragen und Gestalten zu verlocken.  Die Zwischenergebnisse münden in öffentliche Kunstprojekte, öffentliche Proben und Diskussionen und befruchten die eigene persönliche Entwicklung.
Wir üben eine gemeinsame, verbindende Sprache, die über das Verbal- Kognitive hinausreicht. Wir haben uns den Auftrag erteilt, den Dialog zwischen den Menschen zu befruchten, zu fördern und zu unterstützen.

Das Laboratorium für Artenschutz, als Forschungslabor, ist eine Art Seismograph für gesellschaftliche Bewegungen und Themen und untersucht intensiv die Fragen der Menschenwürde, der menschlichen Kreativität und Vielfalt. Wir machen nachhaltige Grundlagenarbeit.

Diese Arbeit braucht einen Lebens- und Entwicklungsraum, damit «weder Geschlecht, soziale oder ökonomische Voraussetzungen noch besondere Lernbedürfnisse (dürfen) dazu führen, dass ein Mensch seine Potenziale nicht entwickeln kann. » Deutsche UNESCO Kommission