Wo ist Klara?
Ein choreografisches Stück
Theaterhaus Thurgau
Fünf Männer und drei Frauen begegnen sich im Unterwegssein ihres Lebens. Sie erzählen von Erinnerungen, Herausforderungen, Träumen, Sehnsüchten, Ängsten und tiefen Geheimnissen. Was in einem Moment wunderlich absurd und surreal scheint, stellt sich im nächsten Augenblick als überaus menschliche Notwendigkeit heraus. Das pure Leben zeigt sich in seinen vielfältigen Facetten. Zielstrebig und ziellos zugleich suchen die Abenteurer unentwegt weiter, bis sie den Zweck ihrer Reise erkennen.
Die Frauen und Männer zwischen 20 und 60 Jahren, alle mit einer kognitiven oder psychischen Beeinträchtigung, entführen uns für den Moment des Unterwegseins, in ihre Welt des Staunens und Bangens.
Vor gut einem Jahr machten sie sich gemeinsam auf die Reise mit unbekanntem Ziel. Die einzigen Bedingungen waren Entdeckergeist, Mut und Vertrauen in die eigenen schöpferischen Kräfte.
Entstanden ist ein abendfüllendes choreografisches Stück, welches auf den Lebensgeschichten der PerformerInnen basiert. (ca. 1 Std)
Der Kontrabassist Marc Jenny begleitet die Reise mit seinen feinsinnigen Klängen, unterstützt und kontrapunktiert zugleich.
Der gesamte Prozess der Entstehung wurde vom Dokumentarfilmer Raphael Zürcher begleitet.
Das Projekt war eine Auftragsarbeit des Bildungsklubs Thurgau, anlässlich seines 25jährigen Jubiläums. www.tab-thurgau.ch
Zur Entstehung: Im September 2011 traf sich zum ersten Mal eine Gruppe von Menschen mit dem Ziel, innerhalb eines Jahres gemeinsam ein Stück zu entwickeln.
In der konkreten Arbeit verschwand dieses Ziel sehr schnell aus dem Bewusstsein. Dafür standen die Entwicklung der eigenen Ausdrucksfähigkeit, das Entdecken von Fähigkeiten und Eigenheiten und das Zusammenfinden als Gruppe im Vordergrund. An die Erarbeitung eines Stückes dachte niemand mehr. Diese ersten Monate waren geprägt von gemeinsamem Spiel, Auseinandersetzung, Experimentieren und Stärken suchen. Das Beobachten von anderen und vermehrt auch von sich selber, war für die meisten Neuland. Die ersten Feedbackrunden glichen Mutproben.
Unbemerkt sammelte ich während dieses Prozesses beiläufige Bemerkungen, Wortwechsel, Begegnungen und wiederkehrende Episoden. Die Arbeit wurde immer „zwischenmenschlicher“ und persönlicher. Die Ausdrucksfähigkeit der Ensemblemitglieder zeichnete klare Bilder, die ebenfalls in meinem Ideenkorb landeten.
Im Frühsommer war es dann soweit, dass sich einzelnen Szenen abzeichneten. Trotzdem war noch kein Stück in Sicht.
Mit dem Ideenkorb und einzelnen, schon erprobten Szenen zog ich mich in die Sommerpause zurück und entwickelte neun Kapitel, die das Stück „Wo ist Klara?“ erzählten. Dazu nahm ich das vorhandene Material, übersetzte einen Teil in eine abstrakte Form, goss meine eigene künstlerische Ästhetik darüber und formte neu.
Nach den Sommerferien startete die Probenphase. Für das Ensemble waren Teile des Stückes sehr nah und vertraut, anderes zeigte sich ihnen von einer komplett neuen Seite – für sie kaum wieder zu erkennen. Diese Probenphase stellte eine grosse Herausforderung dar. Nun musste hart gearbeitet werden. Wiederholen von Einstellungen und Szenen waren unerlässlich und forderte ein hohes Mass an Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen. Ganz neue Aspekte traten auf. Nervosität, Anspannung, die Angst zu versagen, waren bis dahin kaum Thema gewesen. Persönliche Grenzen wurden sichtbar und spürbar und mussten berührt werden. Niemand war sich sicher, ob das Experiment gelingen würde.
Am 06.10.2012 feierte das Stück Premiere im Theaterhaus Thurgau und bestätigte damit den erfolgreichen Abschluss der Versuchsreihe.
Die folgenden vier Aufführungen, auf verschiedenen Bühnen im Thurgau, fanden das grosse Interesse eines breiten Publikums und waren jeweils bis auf den letzten Platz ausverkauft. Auch die letzte Vorstellung im Stadttheater Konstanz war ein voller Erfolg.
Das Publikum war gefordert, erstaunt und berührt. Die Präsenz der Performer, ihre klare Bewegungs-Sprache und Ausdruckkraft überzeugten. Begriffe wie „Behinderung“, „Defizit“ oder „Integration“ lösten sich auf, denn es handelte sich hier um fundamental menschliche Themen, jenseits einer Kategorisierung.
Wie selbstverständlich, scheinbar mühelos, fand eine Annäherung und Begegnung der besonderen (zwischenmenschlichen) Art statt.
Micha Stuhlmann März 201
Im Februar 2014 feiert der Film „Wo ist Klara?“ bei den Filmfestspielen in Solothurn seine Premiere.
www.woistklara.ch
Künstlerische Leitung / Konzept: Micha Stuhlmann
Performerinnen:
Astrid Scherer – Boris Ackermann –Cornelia Kunz – Dagobert Jakob – Johannes Dumelin – Johannes Widmer – Klara Keller – Primo Mazzola
Musik / Kontrabass: Marc Jenny
Texte: Johannes Widmer
Kostüme: Ellen Finus
Licht: Urs Minder
Produktion: Elfriede Schläpfer Bildungsklub Thurgau
Premiere: 06.10.2012