MENSCH.SEIN unterwegs

Galerie UNORT 31.01. – 23.02.2025 im Unort Zürich, Predigergasse 3
Öffnungszeiten
Mittwochs 17 – 20 Uhr
Samstags 15 – 18 Uhr

Während den Öffnungszeiten:
Filmvorführung TOD.SEIN im UG des Ausstellungsraums

So, 23.02.2025, 13:00 Uhr
Workshop «Begegnung im MENSCH*SEIN»
Mit anschliessender Finissage um 15 Uhr

Hintergründe MENSCH.SEIN
MENSCH.SEIN
Manche Schubladen schliessen sich schnell und öffnen sich schwer.

Mit dem Kunstprojekt MENSCH*SEIN durchleuchten Micha Stuhlmann und Raphael Zürcher gemeinsam mit elf Protagonist:innen Alltagsroutinen und soziale Resonanzräume.


Wir sind viel größer, als wir denken, und haben so viel mehr Möglichkeiten, als wir leben. Diese Erkenntnis steht im Zentrum der Videoinstallation MENSCH*SEIN, einem Projekt der Performerin Micha Stuhlmann und des Videokünstlers Raphael Zürcher.
Entstanden in Kooperation zwischen dem Laboratorium für Artenschutz und dem Open Place in Kreuzlingen, lädt die Arbeit dazu ein, innezuhalten und das eigene Denken zu hinterfragen.

Elf Protagonist:innen aus unterschiedlichen, teils fragilen Lebenskontexten machen sich in diesem Projekt aus dem „Wartezimmer des Lebens“ auf, um unbekannte Türen zu öffnen. Gedreht wurde im KulturHaus Apollo in Kreuzlingen, dessen Geschichte und Räumlichkeit die beiden Kunstschaffenden inspirierten.

Auf fünf Videobildschirmen wird das Warten und die Reise der Menschen in alltäglichen Situationen in Echtzeit gezeigt – ohne Schnitte, in einer Endlosschleife, kein dramaturgischer Trick lenkt ab. Nur Alltag, der uns gerade deshalb herausfordert, hinzusehen.  Die Videos laufen parallel. Die Besucher:innen müssen sich entscheiden, welcher der Realitäten sie folgen. Doch das Ganze bleibt unerreichbar. So wie im Leben: Wir ahnen die Komplexität, doch sehen immer nur Bruchstücke.

Zur Installation gehören elf Kopfhörer, über die die Protagonist:innen ihre Antworten auf fünf immer gleiche Fragen geben. Diese Fragen eröffnen Resonanzräume, die unser Schubladendenken und unsere Perspektiven auf das Menschsein beleuchten. Scheinbar müssen wir kategorisieren, um die komplexe Welt zu ordnen und Sicherheit zu schaffen. Wie schnell stecken wir andere in Schubladen? Wie fühlt es sich an, selbst in Schubladen gesteckt zu werden? Wie beeinflusst uns das in Handlungen, Alltag und Perspektiven?

Das Projekt verfolgt das Ziel, Resonanzräume in uns selbst und mit der Welt um uns herum aufzuspüren. Als atemlose Mitläufer:innen in einer Hochleistungsgesellschaft brauchen wir Entschleunigung. Mit uns und der Welt in Kontakt treten, ins Momenterleben eintauchen, Innehalten, wenn sich alles dreht, ist inzwischen ein politisches Statement – eine Form des passiven Widerstands.

Hintergründe TOD.SEIN
TOD.SEIN EINE NAHFILM-ERFAHRUNG IM ZWISCHENREICH

einmalig, nicht übertragbar, nur begrenzt in Sprache zu übersetzen, dafür tiefenwirksam, sinnlich und nachhaltend

Unser Film spielt mit der unterschwelligen Angst vor dem Tod und unseren allzu oft vergeblichen, manchmal auch verschrobenen Versuchen, diese Angst zu verdrängen – sei es durch lustvolle Ablenkung, scheinbar logische Konzepte oder den Versuch, sie in unser Leben zu integrieren. Dabei gehen wir immer wieder dem kleinen, geheimen Hoffnungsschimmer auf Unsterblichkeit auf den Leim, obwohl wir doch wissen: Wir sind sterblich – und lebendig kommt hier keiner weg.
Wir plädieren dafür, die Vergänglichkeit zu feiern – in jedem Augenblick und dabei zu leben.

Der Plot. Eine vielfältige Gruppe von Menschen zwischen 24 und 85 Jahren trifft an einem unbestimmten Ort zu einem festlichen Dinner zusammen. Sie verhandeln Fragen rund um Tod, Sein und Sterben. Wir sehen sie in alltäglichen Tableaus und als Porträts – mal sprechend, mal schweigend in die Kamera blickend. Während die Gespräche zunehmend verworrener werden, taucht die Bild- und Klangsprache immer tiefer in die verborgenen Abgründe der (Nicht-)Existenz ein.

Abgründe. TOD.SEIN entstand vor der Corona-Zeit und wurde während des Lockdowns geschnitten.Die älteste Protagonistin feierte gerade ihren 90. Geburtstag.
Ein Protagonist starb Anfang 2024.Das Ensemble hat sich im Sommer 2024 aufgelöst.

TOD.SEIN greift kritische Entwicklungen auf, insbesondere im Umgang mit Alter, körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Diese verweisen auf unsere Sterblichkeit, werden aber in einer Gesellschaft, die auf Selbstoptimierung setzt, oft unsichtbar gehalten. Der Tod scheint immer die anderen zu betreffen, während sich die kollektiven Vorstellungen einer idealen Existenz um Jugend, Vitalität und Erfolg drehen – eine Kultur, die die Sterblichkeit ausblendet.

Gibt es eine „neue Sichtbarkeit des Todes“ – oder eher die Sichtbarkeit von Totem? Seit den 80er Jahren kehren Bilder des Todes in Kunst, Film und Medien zurück, verstärkt durch die Digitalisierung, die Tote per Mausklick wieder ins Leben ruft. Bilder vom Sterben, Töten und Totem dringen in den Alltag ein, stumpfen die Sinne ab, nicht aber die Urangst vor dem Tod.

Unsere Gesellschaft begegnet dieser Angst mit Prävention, Vorsorge und Versicherungen. Altern, Krankheit und Tod werden als vermeidbare Makel betrachtet – unvereinbar mit einer Welt, in der Scheitern und Vergeblichkeit keinen Platz haben. Der Tod wird zum unglücklichen Zwischenfall, der nach einem möglichst reibungslosen Happy End verlangt.

TOD.SEIN verzichtet auf Erklärungen und Deutungen. Der Film kommuniziert über eine assoziative Bildsprache, arbeitet mit Stimmungen, Andeutungen und Unterschwelligem. Er verweigert die Flucht in die Sprache und konfrontiert das Publikum mit der eigenen Wahrnehmung.

Die Zuschauer*innen werden auf sich selbst zurückgeworfen und dazu eingeladen, ihre eigenen Vorstellungen von Tod und Dasein zu hinterfragen. Denn letztlich sind wir – du und ich – die einzigen Experten unseres eigenen Lebens – und unseres Todes.